Die dreiste dreiste Berichtsfälschung der Klimatrickser

Referenz:
Die Welt     bundesregierung-verfaelscht-klimabericht

Der UN-Klimaschutzbericht entlarvt die deutsche Ökostrom-Förderung als nutzlos. Das hat niemand gemerkt. Denn die Regierung hat die Aussagen in der offiziellen Zusammenfassung grob verfälscht.

Die deutschen Verbraucher  haben erneuerbare Energien zwar mit dreistelligen Milliardensummen  subventioniert. Doch dem Klimaschutz hat das nichts gebracht. So steht  es sinngemäß, aber recht deutlich im jüngsten Klimaschutzbericht der  Vereinten Nationen, der im April der Öffentlichkeit präsentiert wurde.  Gemerkt hat das bislang freilich niemand.

Einer der Gründe dafür ist recht simpel: Die Bundesregierung hat den Befund  der UN-Forscher in der offiziellen deutschen Zusammenfassung  ("Kernbotschaften") schlicht unterschlagen. Weitere peinliche Passagen  aus dem UN-Dokument wurden in der Zusammenfassung fast in ihr Gegenteil  verkehrt.

Maßnahmen gegen den Klimawandel
Aber der Reihe nach: Am 14. April hatte der Weltklimarat der Vereinten Nationen seinen jüngsten und bis dato wichtigsten Bericht zum globalen Klimaschutz der Öffentlichkeit vorgestellt. Während es in den früheren Berichten des "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC) um  Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels ging, befasste sich der "Dritte Teilbericht zum Fünften Sachstandsbericht des IPCC" mit den  möglichen Gegenmaßnahmen.

Für politische Entscheider sind die Ratschläge des UN-Gremiums IPCC von  größter Bedeutung. Sollen sie dem Klimawandel mit der Einführung von CO2-Steuern begegnen? Sind Subventionen für erneuerbare Energien oder  Atomkraft ratsamer? Oder bringt es im Kampf gegen den Treibhauseffekt  mehr, wenn man einen Emissionshandel aufbaut, der Industrie und Kraftwerksbetreiber dazu zwingt, sogenannte Emissionsrechte zu erwerben, für jede Tonne Kohlendioxid, die sie in die Luft blasen wollen?

Über diese und ähnliche Fragen hatten sich 235 führende Wissenschaftler aus 58 Ländern  vier Jahre lang intensiv Gedanken gemacht. Bundeswirtschaftsminister  Sigmar Gabriel (SPD) hörte denn auch aufmerksam zu, als IPCC-Chef Rajendra Pachauri und der Co-Vorsitzende der zuständigen IPCC-Arbeitsgruppe III, Ottmar Edenhofer, die Ergebnisse am 14. April im Auditorium Maximum der Technischen Universität Berlin vorstellten.

Nur: Zu einer tieferen Analyse des mehrere Tausend Seiten starken  UN-Berichts reichte es bei der Präsentation natürlich nicht. Allein die  "Technical Summary" umfasst 99 Seiten komplizierter Wissenschaftslyrik  in Englisch. Und auch die vom IPCC gelieferte englischsprachige  "Zusammenfassung für Entscheidungsträger" blieb mit einem Umfang von 33 Seiten für Politiker mit eng getaktetem Terminplan noch eine Herausforderung.

Umso dankbarer nahmen es da Journalisten, Referenten und Umweltgruppen auf, dass die für den Klimaschutz zuständigen deutschen Bundesministerien und Behörden eine mit vier Seiten recht übersichtliche Zusammenfassung der "Kernbotschaften" des IPCC-Berichts zur Verfügung stellten.

Verantwortlich für die deutsche Zusammenfassung zeichneten gleich vier hochmögende Institutionen: Federführend das Umweltministerium, beteiligt sind ferner die Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle in Bonn, das Umweltbundesamt in  Dessau und das Bundesministerium für Forschung und Bildung. Das Papier,  sollte man meinen, ist für die Interpretation der IPCC-Befunde eine  seriöse Quelle. Dass die ministerielle Zusammenfassung dem Originaltext in wichtigen Punkten nicht entspricht, ahnte niemand.

Ökostrom sinnlos - wenn es Emmissionshandel gibt
So stellt das IPCC in seinem Bericht die klimapolitische Sinnlosigkeit von Ökostrom-Subventionen innerhalb eines Emissionshandelssystems  heraus: "Das Hinzu-Addieren einer CO2-Minderungspolitik zu einer zweiten führt nicht notwendigerweise zu einer stärkeren CO2-Reduktion", heißt  es in wörtlicher Übersetzung in der "Technical Summary" der Vereinten  Nationen: "In einem Emissionshandelssystem mit einer hinreichend  strengen Deckelung haben andere Maßnahmen wie die Subventionierung erneuerbarer Energien keinen weiteren Einfluss auf den gesamten  CO2-Ausstoß."

Damit  bestätigt nun auch der Weltklimarat das, was der Wissenschaftliche  Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums, die Monopolkommission oder der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, seit Jahren sagen: Unter dem festen Deckel des europäischen Emissionshandels mit seiner genau  abgezählten Menge an Verschmutzungsrechten führen Ökostrom-Subventionen  lediglich zu einer Verlagerung der CO2-Emissionen, nicht aber zu ihrer  Minderung.

Verdrängen Windparks zum Beispiel ein deutsches Kohlekraftwerk, steht der gesamte CO2-Ausstoß der Anlage in Form von Emissionsrechten dem Markt wieder zur Verfügung. Das Angebot wird also größer, andere europäische Kraftwerksbetreiber können sich entsprechend billiger aus diesem frei  gewordenen Gutschein-Kontingent bedienen. Die in Deutschland vermiedenen CO2-Emissionen werden dann jenseits der Grenzen von jemand anders in  die Luft geblasen. Entscheidend für den Klimaschutz ist einzig, dass die Gesamtmenge aller in Europa verteilten Verschmutzungsrechte in keinem Fall überschritten werden kann.

Klares Urteil fehlt in Zusammenfassung
Doch dieses klare Urteil des IPCC über die klimapolitische Sinnlosigkeit von Ökostrom-Subventionen bei gleichzeitigem Emissionshandel taucht in der  deutschen Zusammenfassung nicht auf. Die einzige Bemerkung zu diesem  Komplex liest sich hier völlig anders: "Der Emissionshandel  beeinträchtigt die Wirkung anderer Maßnahmen, es sei denn, die Anzahl der zulässigen Zertifikate wird flexibel angepasst."

Der Unterschied ist deutlich: Die Vereinten Nationen erklären den  Emissionshandel zu einem probaten Instrument, der Subventionen für erneuerbare Energien überflüssig macht. Die deutsche Übersetzung dreht den Spieß um und macht den Emissionshandel zum Übeltäter, der angeblich "die Wirkung anderer Maßnahmen beeinträchtigt"

Fragwürdig ist auch, was die Vereinten Nationen angeblich zur Ausgestaltung  des Emissionshandels selbst sagen: "Für den Erfolg von Emissionshandelsrechten ist es notwendig, ausreichend hohe Preise für  Emissionszertifikate zu erreichen, um Anreize für einen kohlenstoffarmen Energieträger zu bieten", heißt es in der Zusammenfassung der Bundesregierung. Deshalb müsse die Anzahl der handelbaren  Emissionsrechte auch "flexibel angepasst" werden.

Ministerium: "Erste Erläuterung in verständlicher Form"

Mit dieser Darstellung verdrehen die deutschen Behörden die Aussagen des IPCC-Berichts in ihr Gegenteil. Denn der Emissionshandel ist per  Definition ein System, in dem eine Anzahl frei handelbarer  Emissionsgutscheine vorgegeben wird, sodass sich für diese  Verschmutzungsrechte freie Marktpreise ergeben können. Aus diesem System fester Mengen und flexibler Preise macht die deutsche Übersetzung ein  System flexibler Mengen, um möglichst hohe Preise für Emissionsrechte  erzwingen zu können.

Das läuft dem Wirkungsprinzip des Emissionshandels geradewegs zuwider: Denn die Forderung nach "flexibler" Anpassung der handelbaren Mengen an  Emissionsgutscheinen steht in direktem Widerspruch zur Aussage des  IPCC-Berichts, wonach die Maximalzahl an Emissionsgutscheinen "bindend"  sein müsse.

Die Aussage, dass hohe CO2-Preise für den Erfolg des Emissionshandels "notwendig"  seien, wie die deutsche Übersetzung glauben machen will, findet sich im Original nirgendwo. Grundsätzlich, und das ist ja gerade der große  Vorteil des Emissionshandels, werden die gesetzten CO2-Ziele selbst dann erreicht, wenn sich am Markt niedrige Preise fÃür Emissionszertifikate  ergeben. Klimaschutz kann eben auch billig sein, wenn man Marktmechanismen walten lässt. Dass sich die EU von vornherein nur  relativ anspruchslose CO2-Minderungsziele gesetzt hat, ist dem  Emissionshandel nicht anzulasten: Das Instrument selbst funktioniert deshalb nicht minder gut.

Das Umweltministerium verwies bei einer Anfrage auf die Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle. Dort wiegelt man ab. Bei den  "Kernbotschaften" handele es sich "nicht um eine wortwörtliche oder gar offizielle Übersetzung des IPCC-Berichts", sagt eine Sprecherin über das Papier, auf dem die Logos von Umweltministerium, Forschungsministerium und Umweltbundesamt zu sehen sind. Es handele sich um "eine erste  Erläuterung des Berichts in verständlicher Form". Die getroffenen  Aussagen seien aus verschiedenen Passagen des UN-Berichts "abgeleitet"  worden. "Auch sollte berücksichtigt werden, dass die ,Kernbotschaften', die in enger Zusammenarbeit mit Autoren des IPCC-Berichts erarbeitet wurden, Aussagen des Berichts nur in stark verkürzter Form widerspiegeln können."

IPCC: "Das haben wir so nicht geschrieben"

Die Wissenschaftler des IPCC allerdings reagieren ausgesprochen verwundert, als sie von der "Welt am Sonntag" mit der deutschen Übersetzung ihrer  Kernbotschaften konfrontiert wurden. "Das haben wir so nicht in den IPCC-Bericht geschrieben", stellt Ottmar Edenhofer fest, der als  Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III an der Formulierung des Originalreports der UN federführend mitgewirkt hat. "Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe eines Emissionshandelssystems, hohe Preise zu erzeugen." "Maßgeblich ist der englische Originaltext", sagt Edenhofer,  der auch stellvertretender Direktor und Chefökonom des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ist. Was dann "die Ministerien oder andere Institutionen daraus machen, liegt nicht in meiner Hand".

Für einen "Skandal" hält der Bundesverband Emissionshandel und Klimaschutz (BVEK) die Interpretation des IPCC-Berichts. "Wesentliche Aussagen des UN-Gremiums wurden geradewegs in ihr Gegenteil verkehrt", kritisiert Verbandschef Jürgen Hacker: "Die Forderung nach möglichst hohen  CO2-Preisen haben mit den Aussagen im UN-Bericht überhaupt nichts zu tun, entsprechen aber sehr gut der Interessenlage des  Bundesumweltministeriums."

Tatsächlich bringt der jüngste Verfall der CO2-Preise das Umweltministerium in Schwierigkeiten. Denn durch die Versteigerung der Emissionsgutscheine  sollte eigentlich ein milliardenschwerer "Energie- und Klimafonds"  angefüttert werden, aus dem dann mehrere Umweltprogramme des Ministeriums von Barbara Hendricks finanziert werden sollten. Weil die Erlöse aus den Auktionen niedriger als erwartet ausgefallen sind, ist  das Ministerium gezwungen, für die Erfüllung seiner Zusagen auf Steuergelder zurückzugreifen.

Das Umweltministerium dürfe durchaus der Meinung sein, dass Subventionen für erneuerbare Energien trotz funktionierenden Emissionshandels  sinnvoll seien oder dass Emissionshandel nur bei künstlich erhöhten CO2-Preisen funktioniert. "Nur eines darf das Ministerium nicht", findet Hacker: "Es darf der Öffentlichkeit nicht vortäuschen, dass dies auch die Meinung des IPCC der Vereinten Nationen sei."